Im Andreas-Busch-Inselmuseum auf Nordstrand gibt es seit Anfang Juli etwas Ungewöhnliches zu sehen: einen Giraffenhalskäfer aus dem fernen Madagaskar. Reichlich überrascht, fragte Nordstrand-aktuell.de Guido Schmitz nach dem Warum.
Andreas-Busch-Inselmuseum: Unser Museum will neben dem Thema „Rungholt“ und „Grote Mandränken“ sowie deren Folgen den Besuchern möglichst viele Besonderheiten der Nordstrander Geschichte und Natur näherbringen, so anschaulich wie irgend möglich. Seit Jahren wissen wir von einem „Juwel“ vor unserer Haustür: einem Käfer, der sonst an den Küsten des westlichen Mittelmeers und an der europäischen Küste des Atlantiks vorkommt. Der Insektenforscher Roland Suikat konnte aber vor einiger Zeit nachweisen, dass dieses Tierchen auch auf Hooge, Oland, Habel, Gröde, Langeneß, Nordstrandischmoor sowie auf Südfall, Süderoog, Norderoog, der Hamburger Hallig und auf der Insel Pellworm vorkommt.
Nordstrand aktuell: Und was ist so besonders an diesem Tierchen?
Andreas-Busch-Inselmuseum: Dieser „Winzling“ mit dem lateinischen Namen Pseudaplemonus limonii hat auf deutsch einen der längsten Namen im Tierreich: Halligflieder-Spitzmaus-Rüsselkäfer, ein ellenlanger Name für ein Tier, das gerade mal drei bis vier Millimeter (!) groß ist. Und als normalerweise sehr seltenes Tier, das aber bei uns in den Salzwiesen überraschend stark verbreitet ist, wollten wir den Gästen auf Nordstrand dieses winzige Kleinod gerne zeigen.; nicht nur ein Foto, denn „Begreifen“ bedeutet letztlich, dass man etwas begreifen = anfassen kann. Da nutzt allein ein Foto nicht sehr viel.
Nordstrand aktuell: Und warum zeigen Sie dann stattdessen einen Giraffenhalskäfer aus Madagaskar?
Andreas-Busch-Inselmuseum: Der Halligflieder-Spitzmaus-Rüsselkäfer steht auf der Roten Liste stark gefährdeter Arten: Selbst wenn einer von ihnen direkt vor mir herumgekrabbelt wäre, hätte ich es weder übers Herz gebracht, noch hätte ich es versuchen dürfen, ihn zu fangen. Auch einen Käfer, der eines natürlichen Todes gestorben wäre, hätte ich nicht einfach mitnehmen und im Museum zeigen können; abgesehen davon: Das Käferchen ist winzig; Wenn es dann leblos irgendwo gelegen hätte, hätte ich es wohl glatt übersehen. Nach jahrelangem Befassen mit diesem Käfer wurde mir dann aber bewusst: Er hat seinen Namen davon, dass man ihn im Halligflieder findet, sein Kopf an eine Spitzmaus erinnert und vor allem diese Rüsselkäferart einen Kopf hat, der zu einem Rüssel verlängert ist. Und dann stieß ich per Zufall auf den Giraffenhalskäfer aus Madagaskar, einen auf natürliche Weise verstorbenen Käfer aus einer Zucht. Dieser weltweit ungeschützte Käfer gehört zwar zu den „Blattrollern“, ist also eine ganz andere Art; aber wie bei Rüsselkäfern ist sein Kopf länger als der gesamte Körper; und das Entscheidende: Er hat von seiner Form her nicht nur eine überraschende Ähnlichkeit mit unserem Halligflieder-Spitzmaus-Rüsselkäfer, sondern er ist gut fünf Mal größer, das heißt, man kann die Besonderheit mit bloßem Auge sehen. Und alles andere erfährt man ja bei einem Museumsbesuch; vielleicht sogar während der Wartezeit beim Arzt. Ab Anfang September öffnet im selben Gebäude eine Arztpraxis – und wer Halsweh hat, dürfte dankbar sein, wenn er/sie keinen Giraffenhals hat...